Solange unser Leben vom Denken beherrscht wird, streben wir ständig in eine Zukunft, in der unsere Ideale Realität geworden sind. Die folgende Übung lässt uns im Augenblick ankommen und öffnet uns so ein Tor zur Daseinsfreude.
Wann immer es dir einfällt, nimm wahr, ob du dich gerade in einer „inneren“ Warteposition befindest. Vielleicht entdeckst du ein großes Warten, wie: „Wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind, dann…“. Vielleicht erspürst du ein kleines Warten, wie: „Wenn ich erst diese Arbeit erledigt habe, dann…“. Gemeinsam ist ihnen das unterschwellige Gefühl, erst glücklich sein zu können, wenn etwas Bestimmtes geschehen ist. Sobald du dir dessen bewusst wirst, bist du frei, um in den Augenblick heimzukehren. Im zweiten Schritt geht es darum, dem Augenblick standzuhalten – seiner Durchschnittlichkeit, seiner Schönheit, seiner Schmerzhaftigkeit.
Als ich mit dieser Übung begonnen habe, ist mir übrigens aufgefallen, dass ich fast immer in einer Warteposition bin. Meist war es nicht einmal ein gezieltes Warten auf etwas Bestimmtes, es war mehr eine subtile Hintergrundschwingung. Doch auch sie hat bewirkt, dass ich nur selten wirklich präsent war.
“Wir denken, dass diese Unfähigkeit oder dieser Widerwille, eine Entschleunigung zuzulassen von außen kommt und daher rührt, dass wir so viel zu tun haben. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich etwas anderes entdeckt habe, als ich drei Jahre lang in die Stille gegangen bin. Ich saß in einem kleinen Zimmer mit Blick über den Ozean und hatte alle Zeit der Welt. Ich saß schweigend da und meditierte, und dann pflegte mich ein mulmiges Gefühl zu überkommen. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit der Meditation schnell fertig werden musste, um etwas Wichtigeres zu tun. Damals begriff ich, dass dies bei uns allen eine tief eingefleischte Gewohnheit ist. Wir wollen ganz einfach nicht voll und ganz präsent sein”. Aus: Pema Chödrön: Den Sprung wagen